2.01 Möglichkeiten zur Auflösung von Kapazitätsengpässen: Überkapazität vs. Netzwerkmanagement

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    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Als Kapazitätsproblem kann in einem weiten Verständnis auch
    2 die teilweise noch bestehende Unterversorgung mit
    3 Breitbandanschlüssen in ländlichen Regionen begriffen
    4 werden[Fußnote: Vgl. Stolz, Matthias: Deutschlandkarte der
    5 Internetlöcher, ZEIT-Magazin 47/2010, S. 10.]. Mit dem
    6 Breitbandatlas der Bundesregierung [Fußnote:
    7 http://www.zukunft-breitband.de] steht in Deutschland ein
    8 Instrument bereit, das über den entsprechenden
    9 Versorgungsgrad der verschiedenen Regionen detailliert
    10 Auskunft gibt. Ein maßgebliches Ziel der Netzpolitik muss
    11 die Beseitigung solcher „Kapazitätsengpässe“ durch einen
    12 gezielten, kontinuierlichen und nachhaltigen Breitbandausbau
    13 sein. Die vorrangige Bedeutung der Beseitigung der weißen
    14 Flecken kann dabei ggf. regulatorisch flankiert werden, wie
    15 dies etwa im Rahmen der Versteigerung der Frequenzen der
    16 sog. digitalen Dividende geschehen ist.
    17
    18 „Overprovisioning“ – das Bereithalten von zusätzlichen
    19 Übertragungskapazitäten – und das gezielte Management der
    20 eigenen Netzressourcen schließen sich nicht aus.[Fußnote:
    21 Vgl. zur Scheindiskussion um Kapazitätsengpässe und zum
    22 notwendigen „overbooking“ Bomhard, Sebastian: Stellungnahme
    23 zur öffentlichen Anhörung „Netzneutralität –
    24 Kapazitätsengpässe, Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am
    25 4.10.2010, S. 3.] In der bestehenden distribuierten
    26 Internet-Architektur mit paketbasierter Datenübermittlung
    27 ist das Vorhalten von zusätzlichen Übertragungskapazitäten
    28 notwendig. TK-Netze sind dementsprechend heute grundsätzlich
    29 so ausgelegt, dass auch bei hoher Belastung möglichst keine
    30 Überlast entsteht. Als Faustformel hat sich bewährt,
    31 Verbindungen, die temporär oder permanent eine Last von 50%
    32 und mehr erreichen durch alternative Verbindungen zu
    33 entlasten oder in ihrer Kapazität zu erhöhen. Hierbei
    34 handelt es sich um overprovisioning in einem ökonomisch
    35 sinnvollen Maß. Auch die Planbandbreite je Kunde, d.h. die
    36 Bandbreite die durchschnittlich je Kundenanschluss im Netz
    37 vorgehalten werden muss, um dem Kunden einen angemessenen
    38 Service anbieten zu können, wächst derzeit im Festnetz
    39 exponentiell um ca. 50% pro Jahr. Sowohl overprovisioning
    40 als auch Netzwerkmanagement sind daher notwendig, um
    41 Kapazitätsengpässe in Backbone, Aggregationsnetz und beim
    42 Zugang auf der letzten Meile zu überwinden.
    43
    44 Breitbandanschlüsse sind heute, mit Ausnahme der bisher
    45 nicht erschlossenen Gemeinden im Festnetzbereich kein rares
    46 Gut mehr. Die Bereithaltung von Übertragungskapazitäten
    47 oberhalb der mittleren Auslastung hat sich in der
    48 bestehenden Internetarchitektur mit Ende-zu-Ende-Übertragung
    49 bewährt. Overprovisioning in dem oben beschriebenen Umfang
    50 ist insofern eine etablierte Methode, um eine gute
    51 Übertragungsqualität auch bei Trafficspitzen zu bewahren.
    52 Sie kann in dieser Form in Netzwerken ohne stark belastete
    53 zentrale Knoten gleich gute, teils bessere Qualität und
    54 bessere Skaleneffekte als eine Priorisierung im
    55 Netzwerkmanagement bieten [Fußnote: Vgl. Menth, Michael/
    56 Martin, Rüdiger/Charzinski, Joachim: Capacity
    57 Overprovisioning for Networks with Resilience Requirements,
    58 in: SIGCOMM’06, Proceedings of the 2006 conference on
    59 Applications, Technologies, Architectures, and Protocols for
    60 computer communications, S. 78-98.], ohne dabei aber
    61 Netzwerkmanagement entbehrlich zu machen.
    62
    63 Auch im Bereich des mobilen Internetzugangs ist durch die
    64 Erweiterungen von UMTS und zukünftig LTE mittlerweile mehr
    65 Bandbreite verfügbar, deren Verfügbarkeit jedoch noch nicht
    66 die Festnetzkapazitäten erreicht.
    67 Netzwerkmanagement umfasst insgesamt die „Verwaltung,
    68 Betriebstechnik und Überwachung von IT-Netzwerken und
    69 Telekommunikationsnetzen“.[Fußnote: Vgl.
    70 Wikipedia-Kollektiv: Netzwerkmanagement,
    71 https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Netzwerkmanag
    72 ement, zuletzt aufgerufen am 1.12.2010] Zur Normierung liegt
    73 unter dem Titel FCAPS eine standardisierte Beschreibung der
    74 entsprechenden Praktiken zu Fehlermanagement,
    75 Konfigurationsmanagement, Abrechungsmanagement,
    76 Leistungsmanagement und Sicherheitsmanagement durch die ISO
    77 vor.[Fußnote: Vgl. ISO/IEC 10040, 1998, Information
    78 technology - Open Systems Interconnection - Systems
    79 management overview.] Der Standard wird durch Festlegungen
    80 der ITU zum Management von Telekommunikationsnetzwerken
    81 ergänzt. [Fußnote: Vgl. ITU-T, 2000, M.3010 Principles for a
    82 telecommunications management network; inclusive zweier
    83 Amendments von 12/2003 und 11/2005. Siehe
    84 http://www.itu.int/rec/T-REC-M.3010/en, zuletzt aufgerufen
    85 am 1.12.2010] Maßnahmen zum Netzwerkmanagement müssen nach
    86 den europarechtlichen Vorgaben im Interesse der
    87 Allgemeinheit Kundinnen und Kunden verständlich und
    88 transparent von vorneherein mitgeteilt werden.[Fußnote: Vgl.
    89 Art. 21 „Transparenz und Veröffentlichung von Informationen“
    90 der Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und
    91 des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie
    92 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei
    93 elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten. Siehe
    94 zudem den Referentenentwurf des Telekommunikationsgesetzes,
    95 Stand 15.9.2010, insb. § 45n „Transparenz und
    96 Veröffentlichung von Informationen“.]
    97
    98 Netzwerkmanagement betrifft vor allem Fragen des
    99 Leistungsmanagements (engl. Performance Management), um die
    100 sogenannte Quality of Service (QoS) zu verbessern. Die
    101 Kontrolle über die entsprechenden Einstellungen liegt
    102 ausschließlich in den Händen der Internet Service Provider,,
    103 bei denen allerdings dazu kein umfassendes
    104 betreiberübergreifendes Management existiert.[Fußnote: Vgl.
    105 Donnerhacke, Lutz: Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung
    106 „Netzneutralität – Kapazitätsengpässe, Differenzierung,
    107 Netzwerkmanagement“ am 4.10.2010, S. 5.] Kapazitätsengpässen
    108 kann mit Netzwerkmanagement zur QoS-Verbesserung bisher in
    109 erster Linie in Teilnetzen des Internets beigekommen werden,
    110 da es – abseits von Peering-Vereinbarungen zwischen
    111 einzelnen Netzbetreibern – noch keine umfassenden
    112 betreiberübergreifenden Standards und Maßnahmen gibt. Die
    113 Möglichkeit der Priorisierung zeitkritischer Datenströme
    114 löst daher heute keine systemischen Kapazitätsengpässe auf,
    115 die über die Netze verschiedener Betreiber hinweg gehen; sie
    116 kann aber genutzt werden, um Engpässe im jeweiligen Access-
    117 bzw. Aggregationsnetz des Netzbetreibers zu managen.
    118 Außerdem steht zu erwarten, dass sich die beschriebene
    119 Fokussierung auf netzinternes Management mit der Einführung
    120 und stärkeren Verbreitung von IPv6, welches eine
    121 headerbasierte Differenzierung nach Diensteklassen
    122 standardmäßig vorsieht, die Anreize für netzübergreifend
    123 abgesicherte Priorisierungen erhöht. Von Experten [Fußnote:
    124 z.B. Simon Schlauri in der öffentlichen Anhörung der
    125 Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft am
    126 4.Oktober 2010] wird darauf hingewiesen, dass das aktuell
    127 bei DSL-basierter Übermittlung vorhandene Bedürfnis nach
    128 Priorisierungen einzelner Dienste oder Diensteklassen ein
    129 temporäres Phänomen ist, das durch den kommenden
    130 Glasfaserausbau mit der Zeit verschwinden wird.[Fußnote:
    131 Vgl. Schlauri, Simon: Network Neutrality. Netzneutralität
    132 als neues Regulierungsprinzip des Telekommunikationsrechtes,
    133 Baden/Baden, Zürich, St. Gallen 2010, S. 33.] Es kann aus
    134 heutiger Sicht auch davon ausgegangen werden, dass sich
    135 durch diesen Ausbau sowie durch die Modernisierung der
    136 Übertragungsnetze und durch die Beseitigung von Engpässen an
    137 den Übergabepunkten zwischen den Netzen die Frage nach
    138 Kapazitätsengpässen zukünftig weniger stellen wird. Das
    139 Thema Breitbandausbau berührt in diesem Kontext zwar die
    140 Frage der Netzneutralität, wird aber primär als ein Aspekt
    141 des Kapitels Zugang, Struktur und Sicherheit im Netz zu
    142 behandeln sein.
    143 Den steigenden Anteil audiovisueller Datenströme, z.B. im
    144 Falle des Fernsehens über IPTV oder des Telefonierens per
    145 Voice-over-IP, kompensieren Kapazitätsenpässe aktuell vor
    146 allem per MPLS. Dieses „Multiprotocol Label Switching“
    147 erlaubt, es IP-Pakete differenziert nach unterschiedlichen
    148 Klassen über diesen Klassen zugeordnete explizite Leitwege
    149 zu lenken. MPLS klassifiziert nach Merkmalen wie Quelle,
    150 Ziel, Anwendung bzw. Protokoll und/oder angezeigter
    151 Priorität im DiffServ-Feld des IP-Paketkopfes. „Dieses
    152 Verfahren impliziert eine Abkehr von der klassischen
    153 Paketvermittlung, die den Leitweg an jedem Knoten
    154 individuell für jedes einzelne Paket auswählt, hin zu einer
    155 virtuellen Leitungsvermittlung, die Leitwege für bestimmte
    156 Klassen von Paketen im Voraus festlegt und spezielle Marken
    157 indiziert. Dies hebt die End-to-End Architektur des Netzes
    158 partiell auf, da das Netz jetzt auch Informationen über
    159 Verbindungen bzw. Anwendungen enthält.“[Fußnote: Fischbach,
    160 Rainer: Next Generation Networks und Netzneutralität: eine
    161 regulatorische Herausforderung. Stellungnahme zum
    162 Expertengespräch Next Generation Networks, Berlin 4.12.2008,
    163 http://www.rainer-fischbach.de/ngn_netzneutralitaet_fischbac
    164 h.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.12.2010. Vgl. zu MPLS auch
    165 Davie, Bruce S./Farrel, Adrian (Hrsg.): MPLS: Next Steps,
    166 San Francisco 2008; Farell, Adrian: The Internet and its
    167 Protocols. A Comparative Approach, San Francisco 2004.]
    168 Entsprechende Bestrebungen werden teils kritisch gesehen, da
    169 sie eine Übernahme von Kommunikationsprotokollen aus den
    170 leitungsvermittelten Netzen ins Internet darstellen, die
    171 nicht in der Architektur des Internets angelegt
    172 ist.[Fußnote: Vgl. Donnerhacke, Lutz: Stellungnahme zur
    173 öffentlichen Anhörung „Netzneutralität – Kapazitätsengpässe,
    174 Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am 4.10.2010, S. 3.]
    175 Die beschriebene Methodik ist für die oben genannten Dienste
    176 heute notwendig für die entsprechende Qualitätssicherung bei
    177 den Endkunden, denen andernfalls die Bereitstellung von
    178 IPTV-Angeboten oder verlässlichen Voice-over-IP-Services
    179 nicht vertraglich zugesichert werden könnte.
    180
    181 Aus der Sicht kritischer Verbraucher wird Netzwerkmanagement
    182 in Teilen für fragwürdig gehalten und nur bei maximaler
    183 Transparenz des Eingriffs im Falle einer temporären, nicht
    184 selbst verursachten Überlastung des Netzwerks als zulässig
    185 erachtet.[Fußnote: Vgl. Lüke, Falk: Stellungnahme zur
    186 öffentlichen Anhörung „Netzneutralität – Kapazitätsengpässe,
    187 Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am 4.10.2010, S. 9.]
    188 Daran ist in Bezug auf die Forderung nach Transparenz
    189 richtig, dass der Verbraucher vollständige Klarheit darüber
    190 benötigt, welche Leistungsparameter er bei der Buchung eines
    191 „Internetanschlusses“ zu erwarten hat und welche
    192 Nutzungseinschränkungen (etwa Bandbreitendrosselungen oder
    193 fehlende Berechtigung zum sog. „Tethering“) etwaig mit dem
    194 jeweiligen Vertrag verbunden sind. Der Kunde muss im Vorfeld
    195 wissen, welche Leistungen dem von ihm gebuchten Tarif
    196 tatsächlich gegenüberstehen.
    197
    198 Eine verlässliche, transparente Kommunikation mittels einer
    199 Informationspflicht gegenüber den Kundinnen und Kunden kann
    200 eine zu starke Planbelegung von Bandbreite verhindern. Im
    201 Rahmen der meist technisch geführten Diskussion um
    202 Kapazitätsengpässe muss in Rechnung gestellt werden, dass
    203 ein durch Marktmechanismen getriebener nachfragegesteuerte
    204 Netzausbau Probleme sowohl auf der letzten Meile, als auch
    205 in Aggregationsnetz und Backbone in gewissem Umfang
    206 auffangen kann.[Fußnote: Vgl. hierzu insb. Schlauri, Simon:
    207 Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung „Netzneutralität –
    208 Kapazitätsengpässe, Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am
    209 4.10.2010, S. 3. Zur Nachfragesteuerung s.a. Lüke, Falk:
    210 Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung „Netzneutralität –
    211 Kapazitätsengpässe, Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am
    212 4.10.2010, S. 4f.] Dies schließt Netzwerkmanagement nicht
    213 aus, da dieses neben der Kapazitätsfrage auch der
    214 Qualitätssicherung gegenüber dem Endkunden bei Diensten mit
    215 spezifischen Anforderungen dient.
    216
    217 Eine längst erfolgreich praktizierte Möglichkeit zur
    218 proaktiven Steuerung von Lastverteilungen und Lastspitzen
    219 bei zeitkritischen audiovisuellen Datenströmen bieten
    220 Content Delivery Networks (CDN). Diese von großen
    221 Inhalteanbietern wie Facebook und Google genutzte Verteilung
    222 ihres Angebotes auf verschiedene Server weltweit optimiert
    223 die regionale Anbindung und damit die für die Nutzerinnen
    224 und Nutzer zählende Qualität der jeweiligen Plattform. Durch
    225 gute Anbindung der CDNs an die entscheidenden deutschen und
    226 europäischen Backbone-Knoten können Kapazitätsengpässe, wie
    227 heute bereits üblich, aufgefangen werden. Dies setzt ein
    228 hohes Maß an Kooperation zwischen den Netzbetreibern beim
    229 Peering und der damit verbundenen Durchleitung von Daten
    230 durch verschiedene Netze voraus. Das Beispiel zeigt, dass
    231 nicht zuletzt die Diensteanbieter ein eigenes
    232 wirtschaftliches Interesse an Quality-of-Service-Garantien
    233 haben. Content Delivery Networks dienen dabei dem auch von
    234 den Netzbetreibern verfolgten Ziel, den Ansprüchen von
    235 Nutzerinnen und Nutzern auf eine ökonomische Art und Weise
    236 zu entsprechen.
    237
    238 Alle Maßnahmen – z.B. overprovisioning, Verwendung
    239 spezieller Protokolle wie MPLS und die Optimierung durch
    240 Content Delivery Networks – bieten bislang keine globalen
    241 Lösungen an, sondern bilden netzinterne bzw. lokale
    242 Ansätze. Neben dem mit IPv6 zu erwartenden stärkeren Ausbau
    243 auch netzübergreifender Kooperationen dürfen daher
    244 übergeordnete Maßnahmen wie Rahmensetzungen zum
    245 Breitbandausbau politisch nicht vernachlässigt werden. Vor
    246 dem Horizont der Next Generation Networks sollte auf das
    247 Prinzip des nachfragegesteuerten Netzausbaus gesetzt
    248 werden, der flankiert wird durch sinnvolles, transparentes
    249 und diskriminierungsfreies Netzwerkmanagement.
  • 2.01 Möglichkeiten zur Auflösung von Kapazitätsengpässen: Überkapazität vs. Netzwerkmanagement (Originalversion)

    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Als Kapazitätsproblem kann in einem weiten Verständnis auch
    2 die teilweise noch bestehende Unterversorgung mit
    3 Breitbandanschlüssen in ländlichen Regionen begriffen
    4 werden[Fußnote: Vgl. Stolz, Matthias: Deutschlandkarte der
    5 Internetlöcher, ZEIT-Magazin 47/2010, S. 10.]. Mit dem
    6 Breitbandatlas der Bundesregierung [Fußnote:
    7 http://www.zukunft-breitband.de] steht in Deutschland ein
    8 Instrument bereit, das über den entsprechenden
    9 Versorgungsgrad der verschiedenen Regionen detailliert
    10 Auskunft gibt. Ein maßgebliches Ziel der Netzpolitik muss
    11 die Beseitigung solcher „Kapazitätsengpässe“ durch einen
    12 gezielten, kontinuierlichen und nachhaltigen
    13 Breitbandausbau sein. Die vorrangige Bedeutung der
    14 Beseitigung der weißen Flecken kann dabei ggf.
    15 regulatorisch flankiert werden, wie dies etwa im Rahmen der
    16 Versteigerung der Frequenzen der sog. digitalen Dividende
    17 geschehen ist.
    18
    19 „Overprovisioning“ – das Bereithalten von zusätzlichen
    20 Übertragungskapazitäten – und das gezielte Management der
    21 eigenen Netzressourcen schließen sich nicht aus.[Fußnote:
    22 Vgl. zur Scheindiskussion um Kapazitätsengpässe und zum
    23 notwendigen „overbooking“ Bomhard, Sebastian: Stellungnahme
    24 zur öffentlichen Anhörung „Netzneutralität –
    25 Kapazitätsengpässe, Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am
    26 4.10.2010, S. 3.] In der bestehenden distribuierten
    27 Internet-Architektur mit paketbasierter Datenübermittlung
    28 ist das Vorhalten von zusätzlichen Übertragungskapazitäten
    29 notwendig. TK-Netze sind dementsprechend heute
    30 grundsätzlich so ausgelegt, dass auch bei hoher Belastung
    31 möglichst keine Überlast entsteht. Als Faustformel hat sich
    32 bewährt, Verbindungen, die temporär oder permanent eine
    33 Last von 50% und mehr erreichen durch alternative
    34 Verbindungen zu entlasten oder in ihrer Kapazität zu
    35 erhöhen. Hierbei handelt es sich um overprovisioning in
    36 einem ökonomisch sinnvollen Maß. Auch die Planbandbreite je
    37 Kunde, d.h. die Bandbreite die durchschnittlich je
    38 Kundenanschluss im Netz vorgehalten werden muss, um dem
    39 Kunden einen angemessenen Service anbieten zu können,
    40 wächst derzeit im Festnetz exponentiell um ca. 50% pro
    41 Jahr. Sowohl overprovisioning als auch Netzwerkmanagement
    42 sind daher notwendig, um Kapazitätsengpässe in Backbone,
    43 Aggregationsnetz und beim Zugang auf der letzten Meile zu
    44 überwinden.
    45
    46 Breitbandanschlüsse sind heute, mit Ausnahme der bisher
    47 nicht erschlossenen Gemeinden im Festnetzbereich kein rares
    48 Gut mehr. Die Bereithaltung von Übertragungskapazitäten
    49 oberhalb der mittleren Auslastung hat sich in der
    50 bestehenden Internetarchitektur mit
    51 Ende-zu-Ende-Übertragung bewährt. Overprovisioning in dem
    52 oben beschriebenen Umfang ist insofern eine etablierte
    53 Methode, um eine gute Übertragungsqualität auch bei
    54 Trafficspitzen zu bewahren. Sie kann in dieser Form in
    55 Netzwerken ohne stark belastete zentrale Knoten gleich
    56 gute, teils bessere Qualität und bessere Skaleneffekte als
    57 eine Priorisierung im Netzwerkmanagement bieten [Fußnote:
    58 Vgl. Menth, Michael/ Martin, Rüdiger/Charzinski, Joachim:
    59 Capacity Overprovisioning for Networks with Resilience
    60 Requirements, in: SIGCOMM’06, Proceedings of the 2006
    61 conference on Applications, Technologies, Architectures,
    62 and Protocols for computer communications, S. 78-98.], ohne
    63 dabei aber Netzwerkmanagement entbehrlich zu machen.
    64
    65 Auch im Bereich des mobilen Internetzugangs ist durch die
    66 Erweiterungen von UMTS und zukünftig LTE mittlerweile mehr
    67 Bandbreite verfügbar, deren Verfügbarkeit jedoch noch nicht
    68 die Festnetzkapazitäten erreicht.
    69 Netzwerkmanagement umfasst insgesamt die „Verwaltung,
    70 Betriebstechnik und Überwachung von IT-Netzwerken und
    71 Telekommunikationsnetzen“.[Fußnote: Vgl.
    72 Wikipedia-Kollektiv: Netzwerkmanagement,
    73 https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Netzwerkmanag
    74 ement, zuletzt aufgerufen am 1.12.2010] Zur Normierung
    75 liegt unter dem Titel FCAPS eine standardisierte
    76 Beschreibung der entsprechenden Praktiken zu
    77 Fehlermanagement, Konfigurationsmanagement,
    78 Abrechungsmanagement, Leistungsmanagement und
    79 Sicherheitsmanagement durch die ISO vor.[Fußnote: Vgl.
    80 ISO/IEC 10040, 1998, Information technology - Open Systems
    81 Interconnection - Systems management overview.] Der
    82 Standard wird durch Festlegungen der ITU zum Management von
    83 Telekommunikationsnetzwerken ergänzt. [Fußnote: Vgl. ITU-T,
    84 2000, M.3010 Principles for a telecommunications management
    85 network; inclusive zweier Amendments von 12/2003 und
    86 11/2005. Siehe http://www.itu.int/rec/T-REC-M.3010/en,
    87 zuletzt aufgerufen am 1.12.2010] Maßnahmen zum
    88 Netzwerkmanagement müssen nach den europarechtlichen
    89 Vorgaben im Interesse der Allgemeinheit Kundinnen und
    90 Kunden verständlich und transparent von vorneherein
    91 mitgeteilt werden.[Fußnote: Vgl. Art. 21 „Transparenz und
    92 Veröffentlichung von Informationen“ der Richtlinie
    93 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
    94 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG
    95 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei
    96 elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten. Siehe
    97 zudem den Referentenentwurf des Telekommunikationsgesetzes,
    98 Stand 15.9.2010, insb. § 45n „Transparenz und
    99 Veröffentlichung von Informationen“.]
    100
    101 Netzwerkmanagement betrifft vor allem Fragen des
    102 Leistungsmanagements (engl. Performance Management), um die
    103 sogenannte Quality of Service (QoS) zu verbessern. Die
    104 Kontrolle über die entsprechenden Einstellungen liegt
    105 ausschließlich in den Händen der Internet Service
    106 Provider,, bei denen allerdings dazu kein umfassendes
    107 betreiberübergreifendes Management existiert.[Fußnote: Vgl.
    108 Donnerhacke, Lutz: Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung
    109 „Netzneutralität – Kapazitätsengpässe, Differenzierung,
    110 Netzwerkmanagement“ am 4.10.2010, S. 5.]
    111 Kapazitätsengpässen kann mit Netzwerkmanagement zur
    112 QoS-Verbesserung bisher in erster Linie in Teilnetzen des
    113 Internets beigekommen werden, da es – abseits von
    114 Peering-Vereinbarungen zwischen einzelnen Netzbetreibern –
    115 noch keine umfassenden betreiberübergreifenden Standards
    116 und Maßnahmen gibt. Die Möglichkeit der Priorisierung
    117 zeitkritischer Datenströme löst daher heute keine
    118 systemischen Kapazitätsengpässe auf, die über die Netze
    119 verschiedener Betreiber hinweg gehen; sie kann aber
    120 genutzt werden, um Engpässe im jeweiligen Access- bzw.
    121 Aggregationsnetz des Netzbetreibers zu managen. Außerdem
    122 steht zu erwarten, dass sich die beschriebene Fokussierung
    123 auf netzinternes Management mit der Einführung und
    124 stärkeren Verbreitung von IPv6, welches eine headerbasierte
    125 Differenzierung nach Diensteklassen standardmäßig vorsieht,
    126 die Anreize für netzübergreifend abgesicherte
    127 Priorisierungen erhöht. Von Experten [Fußnote: z.B. Simon
    128 Schlauri in der öffentlichen Anhörung der
    129 Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft am
    130 4.Oktober 2010] wird darauf hingewiesen, dass das aktuell
    131 bei DSL-basierter Übermittlung vorhandene Bedürfnis nach
    132 Priorisierungen einzelner Dienste oder Diensteklassen ein
    133 temporäres Phänomen ist, das durch den kommenden
    134 Glasfaserausbau mit der Zeit verschwinden wird.[Fußnote:
    135 Vgl. Schlauri, Simon: Network Neutrality. Netzneutralität
    136 als neues Regulierungsprinzip des
    137 Telekommunikationsrechtes, Baden/Baden, Zürich, St. Gallen
    138 2010, S. 33.] Es kann aus heutiger Sicht auch davon
    139 ausgegangen werden, dass sich durch diesen Ausbau sowie
    140 durch die Modernisierung der Übertragungsnetze und durch
    141 die Beseitigung von Engpässen an den Übergabepunkten
    142 zwischen den Netzen die Frage nach Kapazitätsengpässen
    143 zukünftig weniger stellen wird. Das Thema Breitbandausbau
    144 berührt in diesem Kontext zwar die Frage der
    145 Netzneutralität, wird aber primär als ein Aspekt des
    146 Kapitels Zugang, Struktur und Sicherheit im Netz zu
    147 behandeln sein.
    148
    149 Den steigenden Anteil audiovisueller Datenströme, z.B. im
    150 Falle des Fernsehens über IPTV oder des Telefonierens per
    151 Voice-over-IP, kompensieren Kapazitätsenpässe aktuell vor
    152 allem per MPLS. Dieses „Multiprotocol Label Switching“
    153 erlaubt, es IP-Pakete differenziert nach unterschiedlichen
    154 Klassen über diesen Klassen zugeordnete explizite Leitwege
    155 zu lenken. MPLS klassifiziert nach Merkmalen wie Quelle,
    156 Ziel, Anwendung bzw. Protokoll und/oder angezeigter
    157 Priorität im DiffServ-Feld des IP-Paketkopfes. „Dieses
    158 Verfahren impliziert eine Abkehr von der klassischen
    159 Paketvermittlung, die den Leitweg an jedem Knoten
    160 individuell für jedes einzelne Paket auswählt, hin zu einer
    161 virtuellen Leitungsvermittlung, die Leitwege für bestimmte
    162 Klassen von Paketen im Voraus festlegt und spezielle Marken
    163 indiziert. Dies hebt die End-to-End Architektur des Netzes
    164 partiell auf, da das Netz jetzt auch Informationen über
    165 Verbindungen bzw. Anwendungen enthält.“[Fußnote: Fischbach,
    166 Rainer: Next Generation Networks und Netzneutralität: eine
    167 regulatorische Herausforderung. Stellungnahme zum
    168 Expertengespräch Next Generation Networks, Berlin
    169 4.12.2008,
    170 http://www.rainer-fischbach.de/ngn_netzneutralitaet_fischbac
    171 h.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.12.2010. Vgl. zu MPLS auch
    172 Davie, Bruce S./Farrel, Adrian (Hrsg.): MPLS: Next Steps,
    173 San Francisco 2008; Farell, Adrian: The Internet and its
    174 Protocols. A Comparative Approach, San Francisco 2004.]
    175 Entsprechende Bestrebungen werden teils kritisch gesehen,
    176 da sie eine Übernahme von Kommunikationsprotokollen aus den
    177 leitungsvermittelten Netzen ins Internet darstellen, die
    178 nicht in der Architektur des Internets angelegt
    179 ist.[Fußnote: Vgl. Donnerhacke, Lutz: Stellungnahme zur
    180 öffentlichen Anhörung „Netzneutralität –
    181 Kapazitätsengpässe, Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am
    182 4.10.2010, S. 3.] Die beschriebene Methodik ist für die
    183 oben genannten Dienste heute notwendig für die
    184 entsprechende Qualitätssicherung bei den Endkunden, denen
    185 andernfalls die Bereitstellung von IPTV-Angeboten oder
    186 verlässlichen Voice-over-IP-Services nicht vertraglich
    187 zugesichert werden könnte.
    188
    189 Aus der Sicht kritischer Verbraucher wird
    190 Netzwerkmanagement in Teilen für fragwürdig gehalten und
    191 nur bei maximaler Transparenz des Eingriffs im Falle einer
    192 temporären, nicht selbst verursachten Überlastung des
    193 Netzwerks als zulässig erachtet.[Fußnote: Vgl. Lüke, Falk:
    194 Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung „Netzneutralität –
    195 Kapazitätsengpässe, Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am
    196 4.10.2010, S. 9.] Daran ist in Bezug auf die Forderung nach
    197 Transparenz richtig, dass der Verbraucher vollständige
    198 Klarheit darüber benötigt, welche Leistungsparameter er bei
    199 der Buchung eines „Internetanschlusses“ zu erwarten hat und
    200 welche Nutzungseinschränkungen (etwa
    201 Bandbreitendrosselungen oder fehlende Berechtigung zum sog.
    202 „Tethering“) etwaig mit dem jeweiligen Vertrag verbunden
    203 sind. Der Kunde muss im Vorfeld wissen, welche Leistungen
    204 dem von ihm gebuchten Tarif tatsächlich gegenüberstehen.
    205
    206 Eine verlässliche, transparente Kommunikation mittels einer
    207 Informationspflicht gegenüber den Kundinnen und Kunden kann
    208 eine zu starke Planbelegung von Bandbreite verhindern. Im
    209 Rahmen der meist technisch geführten Diskussion um
    210 Kapazitätsengpässe muss in Rechnung gestellt werden, dass
    211 ein durch Marktmechanismen getriebener nachfragegesteuerte
    212 Netzausbau Probleme sowohl auf der letzten Meile, als auch
    213 in Aggregationsnetz und Backbone in gewissem Umfang
    214 auffangen kann.[Fußnote: Vgl. hierzu insb. Schlauri, Simon:
    215 Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung „Netzneutralität –
    216 Kapazitätsengpässe, Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am
    217 4.10.2010, S. 3. Zur Nachfragesteuerung s.a. Lüke, Falk:
    218 Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung „Netzneutralität –
    219 Kapazitätsengpässe, Differenzierung, Netzwerkmanagement“ am
    220 4.10.2010, S. 4f.] Dies schließt Netzwerkmanagement nicht
    221 aus, da dieses neben der Kapazitätsfrage auch der
    222 Qualitätssicherung gegenüber dem Endkunden bei Diensten mit
    223 spezifischen Anforderungen dient.
    224
    225 Eine längst erfolgreich praktizierte Möglichkeit zur
    226 proaktiven Steuerung von Lastverteilungen und Lastspitzen
    227 bei zeitkritischen audiovisuellen Datenströmen bieten
    228 Content Delivery Networks (CDN). Diese von großen
    229 Inhalteanbietern wie Facebook und Google genutzte
    230 Verteilung ihres Angebotes auf verschiedene Server weltweit
    231 optimiert die regionale Anbindung und damit die für die
    232 Nutzerinnen und Nutzer zählende Qualität der jeweiligen
    233 Plattform. Durch gute Anbindung der CDNs an die
    234 entscheidenden deutschen und europäischen Backbone-Knoten
    235 können Kapazitätsengpässe, wie heute bereits üblich,
    236 aufgefangen werden. Dies setzt ein hohes Maß an Kooperation
    237 zwischen den Netzbetreibern beim Peering und der damit
    238 verbundenen Durchleitung von Daten durch verschiedene Netze
    239 voraus. Das Beispiel zeigt, dass nicht zuletzt die
    240 Diensteanbieter ein eigenes wirtschaftliches Interesse an
    241 Quality-of-Service-Garantien haben. Content Delivery
    242 Networks dienen dabei dem auch von den Netzbetreibern
    243 verfolgten Ziel, den Ansprüchen von Nutzerinnen und Nutzern
    244 auf eine ökonomische Art und Weise zu entsprechen.
    245
    246 Alle Maßnahmen – z.B. overprovisioning, Verwendung
    247 spezieller Protokolle wie MPLS und die Optimierung durch
    248 Content Delivery Networks – bieten bislang keine globalen
    249 Lösungen an, sondern bilden netzinterne bzw. lokale
    250 Ansätze. Neben dem mit IPv6 zu erwartenden stärkeren
    251 Ausbau auch netzübergreifender Kooperationen dürfen daher
    252 übergeordnete Maßnahmen wie Rahmensetzungen zum
    253 Breitbandausbau politisch nicht vernachlässigt werden. Vor
    254 dem Horizont der Next Generation Networks sollte auf das
    255 Prinzip des nachfragegesteuerten Netzausbaus gesetzt
    256 werden, der flankiert wird durch sinnvolles, transparentes
    257 und diskriminierungsfreies Netzwerkmanagement.